Kapitel II
Maria entsendet die Herzensfreunde ihres Sohnes zur Evangelisierung Galliens
"Die ersten Zeugnisse der großen Freigebigkeit Mariens unserem Land gegenüber sind aus der Zeit vor dem französischen Königtum. Sie gehen zurück in die Epoche des Evangeliums. Da SIE nicht selbst kommen konnte, beeilte SIE sich, unseren Vorfahren Apostel zu senden, die ihnen die Ankunft der heißersehnten Stunde der Erlösung verkünden sollten. Um sie in ihre Liebe, und auch in die Liebe Jesu einzuführen, sandte sie ihnen die hervorragendsten und am meisten geliebten Nachfolger des Erlösers, d.i. alle Mitglieder der bevorzugten bethanischen Familie, von der SIE, wie auch ihr göttlicher Sohn, einst die liebevollste und ehrerbietigste Gastfreundschaft empfangen hatte. Zu ihr gehörten Lazarus, über dessen Grab ER im gleichen Moment geweint hatte, wo Er, um ihn den Armen des Todes zu entreißen, seine Gottheit durch das Wirken des allererstaunlichsten Wunders offenbart hatte" (1) . Lazarus, das Vorbild der Auferstehung Frankreichs, Martha und Magdalena; Maria Magdalena, sie, die große Sünderin, die Seele, groß in der Reue und in der Liebe, ist im voraus das Bild unseres, des sündigen Frankreichs von heute, des reumütigen und liebenden von morgen.Maria entsendet die Herzensfreunde ihres Sohnes zur Evangelisierung Galliens
Zu ihren zärtlichsten Freunden gesellte sie ihre eigene Familie: Maria Jacobae, die Mutter des hl. Jakobus des Älteren und des hl. Johannes des Evangelisten, den Vielgeliebten, der am Herzen Jesu geruht hatte; Maria Salome; zwei weitere eifrige Nachfolger, Maximin und Sidoine, der Erblindete, den Unser Herr geheilt, und der ebenfalls ein Vorbild der Blindheit unseres Landes und seiner wunderbaren Rückkehr zum Licht des Glaubens ist; und zuletzt Sara und Marcellus, die treuen Diener der heiligen Frauen.
Als zu dieser Zeit das gottesmörderische Volk in seinem Haß sich der unangenehmsten Zeugen des Lebens und der Wunder Jesu entledigen wollte, diente es damit dem Plane Gottes und Mariens:
"Die Zeugen zu töten wäre zu kompromittierend gewesen. Also gab man sich damit zufrieden, sie in ein kleines Boot ohne Segel, ohne Ruder, ohne Steuermann und Mundproviant zu setzen, um sie entweder dem sicheren Schiffbruch - oder dem schmerzhaften Hungertod zu überlassen (2) .
Jedoch hatten die Juden nicht mit der Jungfrau gerechnet:
"Maria, der milde Meeresstern, leitete sie, und ließ sie am Ufer Frankeichs landen, wo sie anschließend einen Altar zu Ehren Jesu Christi, unter dem Namen und der Anrufung seiner heiligsten Mutter, der noch lebenden Jungfrau, der "VIRGINI VIVENTE" errichteten (3).
An dieser Stelle (4) wurde das erste Kreuz aufgestellt und die erste heilige Messe auf gallischem Boden gefeiert. Von dort ging das Feuer aus, das das Licht des Evangeliums zuerst in die Provence (les deux Narbonnaises), dann in das übrige Frankreich trug...
Zur gleichen Zeit entsprang dort in wunderbarer Weise eine Süßwasser-Quelle, so als ob sie die heiligen Frauen namens Maria einladen wollte, ihren Wohnort an dieser Stelle zu errichten. Bald trennten sich die besagten Heiligen, nachdem sie zuerst eine bescheidene Gebetsstätte erbaut und sie der Muttergottes gewidmet hatten. Dies ist wahrscheinlich das erste christliche Gotteshaus, das auf gallischem Boden erbaut wurde. Danach evangelisierte die heilige Martha die Umgebung von Tarascon und Avignon. Lazarus, Maria-Magdalena, Maximin und Sidoine gingen gegen Marseille...
Von Marseille aus gingen Maximin und Sidoine nach Aix, wo sie den Bischofssitz gründeten, den sie nacheinander bestiegen. "Magdalena verbrachte mit ihrem Bruder Lazarus einige Zeit in Marseille. Er wurde der erste Bischof und starb dort als Martyrer. Sie vereinigte sich danach wieder mit Maximin und Sidoine und teilte mit ihnen das Apostolat, bis sie sich in die Wüste zurückzog, wo sie die letzten dreißig Jahre ihres Lebens in einer Grotte zubrachte, die seither unter dem Namen "Sainte Baume" bekannt ist.
Maria Jacobae und Maria Salome errichteten zusammen mit ihrer Dienerin Sara ihren Wohnsitz neben der kleinen Gebetsstätte" (5), und bekehrten die am Meeresufer wohnenden Fischer, die Schafhirten und die Landarbeiter der Camargue. Sie starben dort und wurden dort begraben.
Es muß betont werden, daß die Ankunft der heiligen Freunde der Familie Mariens und Ihres göttlichen Sohnes am 2. Februar des Jahres 43 geschah, nämlich zu Beginn des Jahres, in dem das Oberhaupt der Apostel, der heilige Petrus sich in Rom niederließ. Dies ist, als wollte Gott die unauflösliche Beziehung, welche Frankreich mit der Kirche verbindet, von Anfang klar betonen, um damit zu zeigen, daß beide in der Folge der Zeit im Schmerz, wie in der Freude immer verbunden bleiben sollten und daß sie sich der ewigen, von Jesus der Kirche verheißenen Fortdauer erfreuen sollten, die ein Papst Frankreich zusicherte, weil es das Königreich Mariens ist.
Jedoch, die Zärtlichkeiten Mariens für unser Land enden nicht hier.
Eine Überlieferung der Kirche von Rennes bestätigt durch den heiligen Epiphanius im V. Jahrhdt. (Haer-51), versichert, daß der hl. Lukas, der als der Evangelist der Heiligen Jungfrau bezeichnet wird, das ganze südliche Gallien durchwandert und in der Umgegend von Rennes gepredigt habe.
"Nach der Himmelfahrt der heiligsten Mutter des Erlösers, schreibt R. de Torigny, Abt von Mont-Saint-Michel, sei Amadour, den SIE benachrichtigt habe, mit seiner Gattin Veronika zu den Galliern gekommen" (6). Beide standen im Dienste von Maria und Jesus, d.i. in einem vollkommenen Liebesdienst.
Veronika ist zugleich diejenige, die durch die Berührung des Kleides Jesu vom Blutfluß (vgl. Luk. 8, 43-49) geheilt wurde (*) und auch jene großherzige Frau der 6. Station des Kreuzweges, die für ihren Mut und ihren Liebesdienst durch den Abdruck des erhabenen Antlitzes Unsere Herrn auf ihrem Tuch belohnt wurde". (7).
Nachdem sie dem heiligen Martial bei seinem Apostolat geholfen hatte, starb Veronika in Soulac (8), nahe einer der Muttergottes geweihten Kapelle. Nach ihrem Tode kam Amadour nach Quercy, wo er eine Gebetsstätte errichtete, die vom hl. Martial der Muttergottes geweiht wurde. Amadour wurde dort begraben. Mit seinem Namen wird eine der berühmtesten französischen Wallfahrten der Muttergottes bezeichnet: Rocamadour. Maria jedoch fand, daß sie noch nicht genügend getan habe. An ihrem Totenbett befand sich der hl. Dionysius Areopagita. Er war damals Bischof von Athen. Ihn sandte SIE nach Gallien, und ihm gab sie Ihren höchsten Segen für das Land, dem er das Evangelium predigen sollte.
Er kam nach Rom. "Welches Schauspiel, schreibt der Domherr Vidieu, der erlauchte Dionysius fällt dem Lehrer der Lehrer ehrfurchtsvoll zu Füßen".
Der heilige Klemens, der Julius nach Evreux und Clarius gerade nach Nantes gesandt hatte, gab Dionysius volle Vollmacht für Gallien. Der Areopagit besuchte die Kirchen, an welchen er auf seiner Reise vorüberkam und kam dann nach Lutèce (das alte Paris). Dort läßt er sich nieder und errichtet unter dem Schutz Unserer Lieben Frau der Felder (des Champs) eine Gebetsstätte. Seinen Schülern prägt er die Liebe zu Jesus und Maria ein und schickt sie aus, um das ganze Gebiet nördlich der Loire zu evangelisieren. (9). Er gründet nahe bei Evreux das erste Kloster und müht sich, alle in ihren Anstrengungen zu ermutigen. Er reist nach Spanien, kehrt dann nach Paris zurück, wo er auf Montmartre (dem Berg der Märtyrer) - auf dem Hügel, wo die Basilika vom Heiligsten Herzen Jesu erbaut wurde -, die Krone des Martyriums ermpfängt. Sein Blut wird die Taufe der zukünftigen Hauptstadt Frankreichs sein. (10).
Zuletzt, und um ihre Zärtlichkeiten zu krönen, wollte Maria unserem Boden den Leib der heiligen Anna, ihrer geliebten Mutter, anvertrauen, und übergab ihn daher den heiligen Frauen namens Maria bei ihrer Abfahrt von Palästina. Bei ihrer Ankunft in Gallien wurde der hl. Auspicius zum Betreuer der hervorragenden und kostbaren Reliquie und verbrachte sie nach Apt, verbarg sie vor seinem Martyrium in einem unterirdischen Gewölbe, wo sie zu Ostern des Jahrs 792 von Karl dem Großen entdeckt wurde. (11)
So haben Christus und Maria nicht nur die Mitglieder ihrer Familie und ihre liebsten Freunde zur Evangelisierung unseres Landes in dasselbe entsandt, um ihm das Beste ihrer Herzen zu bringen, sondern um des den Toten gebührenden Kultes willen wollten sie, daß der Leib der heiligen Anna hier ruht.
Dazu haben Sie der Erde Frankreichs, die die würidgste war, um zu empfangen, was Ihren innersten Gefühlen auf Erden am liebsten war, den Leib der Mutter der Allerheiligsten Jungfrau anvertraut, damit diesen heiligen Überresten Achtung und Verehrung von dem Volk entgegengebracht würde, das am fähigsten war, sie in dieser Aufgabe zu ersetzen, und das Sie auserwählt hatten zu Ihrem bevorzugten Königreich.
Welches andere Land kann zu Beginn seiner Evangelisierung so viele göttliche und marianische Gunsterweise sein eigen nennen? Keines.
"O barmherzige Sorgfalt der Vorsehung, ruft Msgr. Rumeau, auf diese Weise leitete der Himmel die Sendung Frankreichs ein und legte den Grund zu seiner gnadenreichen Vorherbestimmung (12) ."
(1) Abbé Duhaut, Marie protectrice de la France, S. 24
(2) Chanoine Chapelle - Les Saintes Maries de la Mer, p. 29
(3) Abbé Duhaut - op. cit., p. 25. Ein Stück dieses Altares wird in Arles aufbewahrt
(4) "Saintes Maries de la Mer" in der Camargue, in der Provence
(5) Domherr Chapelle, op. cit., pp. 30-33
(6) Domherr Albe, N.-D. de Rocamadour, p. 32
(*) Diese Einzelheit wird auch von Therese von Konnersreuth berichtet, und zwar in der kl. Biographie des Erwein Freiherr v. Aretin "Die Sühneseele v. Konnersreuth", München 1960, S. 43
(7) Domherr Albe, p. 34 - vgl. ebenfalls die "Acta Sanctorum der Bollandisten". Danach war Veronika gallisch, von Bazas abstammend; was Amadour (ihren Mann) betrifft, so sagt hierzu eine Bulle Martin V aus dem Jahre 1427, wie auch die Überlieferung, daß er kein anderer als der Zöllner Zacharias, d.i. der zu Jericho Bekehrte sei.
(8) Der erzbischöfliche Sitz Bordeaux bewahrt Reliquien der Hl. Jungfrau, die, gemäß der Überlieferung, der hl. Martial und die hl. Veronika mitgebracht haben. Vgl. hierzu Domherr Lopez: L'Eglise Métropolitaine Saint-André de Bordeaux - Hamon: op. cit. p. 6
(9) Lucien nach Beauvais, Sanctin nach Meaux, dann nach Verdun, Yon nach Monthléry, Chiron nach Chartres, Taurin nach Evreux, Nicaise nach Rouen, usw....
(10) In seinem bedeutenden Werk über "Saint Denys, l'Aréopagite, patron de la France", hat der Domherr Vidieu erfolgreich alle Verleumder unserer religiösen Herkunft widerlegt und gezeigt, daß der Areopagit erster Bischof von Paris gewesen ist (pp. 30-67). Die Apostolizität der Kirchen Galliens ist sicher: "Der hl. Paulus legte, nachdem er den Ketten Neros entkommen war, das Fundament der Organisation unserer Kirchen indem er Trophime in Arles, Paul in Narbonne, Crescent in Vienne einsetzte, während Petrus Austremoine zu den Avernern, Ursin zu den Biturigen, Savinien und Potentien nach Sens, Memmius nach Châlons, Sinice nach Soissons, Sixtus nach Reims, Clemens nach Metz, und Eucharius und Valerius nach Trier sandte. An diese Mission schließen sich unter anderem auch die Predigten des hl. Front in Perigieux, des hl. Georg in Velay, de hl. Eutrope in Orange und des hl. Altin in Orleans an" (id. p. 188). Eingeschlossen hierbei sind noch die Predigten des hl. Martial in Limoges und des hl. Saturnius in Toulouse, wozu des weiteren zu zählen sind: Macimius in Rennes, des Schülers von St. Philippus und St. Lukas, der den Tempel von Thetis der Heiligen Jungfrau widmete, und ein Schüler des Joseph von Arimathäa, der unseren Herrn begrub; Dremulus gründete nahe Lannion unter dem Schutz Mariens die erste Kirche der Gegend, die zum Wallfahrtsort Unserer Lieben Frau von Kozgeodek wurde. - Der ehemalige Autor Papirius Masso zählt in seiner "Notitia episcopatum" 19 Kirchen, welche die unmittelbar von den Aposteln abgesandten Jünger in Frankreich gründeten. Es gibt kaum ein Ereignis unserer Geschichte, mit dem die Erinnerung an den hl. Dionysius nicht verbunden wäre. Erinnern wird uns dazu besonders, daß die hl. Genoveva ihm zu Ehren eine Kirche erbauen ließ, daß Dagobert die berühmte Abtei, in der all unsere Könige begraben sind, gründete, daß Pepin dort gesalbt und mehrere Königinnen Frankreichs gekrönt wurden, daß "die Reliquien des hl. Dionysius den Sieg mit der Fahne Frankreichs verbinden und daß sie für den Staat ein Unterpfand des Wohlstands und der Größe sind", und daß unsere Jeanne d'Arc großen Wert darauf legte, dort ihre Ausrüstung niederzulegen.
(11) Die Echtheit des Leibes der heiligen Anna ist anerkannt und durch mehrere päpstliche Bullen bestätigt. Insbesondere durch die Papst Hadrians, durch die Benedikt' XII und Clemens VII. Der Letztere empfiehlt mit seinem Brief v. 30. Okt. 1533 die Wiederherstellung der Kirche von St. Anna zu Apt, "wo der Leib mehrerer Heiliger, besonders der der hl. Anna, der Mutter der verklärten Jungfrau Maria ruht". Die übrigen, hier angesprochenen Heiligen sind: St. Auspicius, St. Castor, St. Margarita, St. Elzear von Sabran und St. Dauphine von Signe, seine Gattin. Das unterirdische Gewölbe, in welchem 7 Jahrhunderte hindurch der Leib der hl. Anna aufbewahrt wurde, ist die zweite Krypta der gegenwärtigen Basilika zu Apt. Königin Anna von Österreich ließ eine feierliche Abordnung nach Apt wallfahren, um dort einen Thronnachfolger zu erbitten. Sie selbst pilgerte mit großer Gefolgschaft dorthin und spendete acht Tausend Frankren für den Bau einer der kostbaren Reliquien würdige Kapelle; sie stifte eine Statue der hl. Anna in Gold und mehrere andere Schmuckgegenstände aus edlem Gestein. Hinzuzufügen ist noch, daß die päpstlichen Akten von sehr zahlreichen Wundern berichten. Der Kult der hl. Anna ist in Frankreich weitverbreitet, besonders in der Bretagne, wo die Wallfahrt zur hl. Anna von Aurey berühmt ist. Sie ergänzt logischerweise denjenigen zur Unbefleckten Jungfrau.
(12) Das goldene Buch Unserer Lieben Frau der Wunder, Rennes, 1925. Abhandlung von Msgr. Rumeau, Bischof von Angers, v. 25.3.1928 zur Zeit der Krönung Unserer lb. Frau der Wunder, S. 41
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